Liebe wie Salz
Folke Tegetthoff | Dauer: 04:48
Liebe wie Salz
Es war einmal ein König. Der hatte drei Töchter. Und jede Menge Langeweile. Eines Nachmittags dachte er sich ein hübsches Spielchen aus. Er ließ seine drei Mädels kommen und eine jede von ihnen musste dem Vater sagen, wie lieb sie ihn hätte. Hübsches Spielchen - haha.
Die Älteste überlegte und dachte - wenn der Alte sich solche blöden Sachen ausdenkt, bezweckt er was damit. Ich werde ihm also schmeicheln müssen - und sie sagte: „Vater, ich liebe dich wie die Sonne! Sie wärmt und lässt alles auf Erden wachsen.“
„Gutes Kind“, sagte der König und schob ihr ’ne Schatzkiste hin - wohl gefüllt mit Edelsteinen oder Gold oder mit … - naja, man hat es nie erfahren ...
Nun war die zweite Tochter an der Reihe und da sie ebenfalls an einem Trühchen interessiert war, sagte sie ohne Umschweife: „Ich, Vater, liebe dich wie mein Augenlicht! Was wäre es für ein Leben, die Schönheiten der Welt nicht sehen zu können, und was wäre das Leben ohne dich!“
„So hab’ ich’s mir vorgestellt“, lachte der König und warf der mittleren Tochter ein prall gefülltes Säckel in den Schoß. Wohl gefüllt mit irgendwelchen Schätzen, aber davon hat man nie etwas erfahren.
Die dritte Tochter antwortete, ohne lange nachzudenken, dafür aus tiefstem Herzen: „Vater, ich liebe dich wie das Salz des Meeres!“
„Wie bitte?!“ schrie der König, „Du liebst mich wie Salz?! Nicht mehr als gewöhnliches Salz?! Undankbares Geschöpf!“ - Und er jagte seine jüngste Tochter aus dem Schloss.
Kurze Zeit darauf wurde am Hof ein königliches Fest gefeiert. Das war die rechte Gelegenheit für die jüngste Tochter, sich ins Schloss zu schleichen, um ein bisschen Rache zu nehmen und dem Vater eine Lektion zu erteilen. (Äh, die Tage zuvor hatte sie mit einem mittellosen Schäfer in dessen Hütte verbracht.)
Die junge Prinzessin schlüpfte in die Kleider eines Kammerdieners und lief schnurstracks in die Küche. „Liebe Köchin“, sagte sie, „Ihr müsst mir helfen.“
„Junger Mann, wer bist denn du? Hab‘ dich noch nie gesehen hier!“
„Erkennst du mich nicht - ich bin’s doch, die Prinzessin, die der König davongejagt hat!“
„Jesus und alle Heiligen, Ihr?!“
„Ja. Nun höre meinen Plan ...“
Die Suppe wird aufgetragen. Alles löffelt, alles schaut etwas verwirrt, auch der König - aber er beherrscht sich.
Die Hauptspeise wird aufgetragen. Alles gabelt und messert, alles schaut etwas verwirrt, auch der König - bis er brüllt: „Was ist das für ein Essen, das man uns hier vorsetzt?! Es schmeckt nach nichts! Wie eingeschlafene Hermelinsocken. Man bringe mir sofort die Köchin!“
Die gute Alte kam und stand zitternd und sprachlos vor dem König. Da trat plötzlich ein junger Kammerdiener vor und sprach: „Mein König, ich habe der Köchin den Befehl gegeben, die Speisen nicht zu salzen.“
Der König lief apfelrot an und explodierte: „Bist du von Sinnen? Wie kommst du dazu, Befehle zu geben? Wer bist du überhaupt?“
Da zog der Kammerdiener seine Kammerdienermütze vom Kopf und lächelte: „Ich bin’s, deine Tochter. Ich wollte dir nur zeigen, wie wichtig und unentbehrlich Salz ist.“
Da sah der König sein Unrecht ein und bat seine jüngste Tochter, ihm doch zu verzeihen.
(Naja, da sie von nun an sein Liebling war, hatte er auch nichts gegen die Heirat mit dem mittellosen Schäfer einzuwenden ...)